Ein Ritual zur Sprachlosigkeit
In diesem Beitrag lasse ich euch teilhaben an einem Ritual, das ich im Juli mit Sabine Krink und Patrizia Stabile durchführen durfte. Dazu gekommen ist es durch die Idee, gemeinsam mit Patrizia Ritualfotos anzubieten. Bei einem privaten Fotoshooting durfte ich Patrizias einzigartige Gabe – die echte Schönheit der Menschen auf Fotos festzuhalten – kennen lernen. Wie unsere erste Begegnung war und alles entstanden ist, kannst du im folgenden Blogbeitrag nachlesen…
Vor dem Ritual
Patrizia und ich wollten die Idee mit den Ritualfotos ausprobieren und in die Tat umsetzen. Wir waren gespannt, in welcher Form Fotos und Rituale verbunden werden können. Dafür suchten wir Freiwillige über einen Aufruf bei Facebook. Sabine meldete sich bei mir und erzählte mir von ihrem starken Impuls, dass sie mit uns auf eine rituelle Reise gehen wolle zum Thema „Sprachlosigkeit“.
Um ehrlich zu sein dachte ich so bei mir: „Sabine und Sprachlosigkeit? Warum?“ Sabine ist für mich eine außergewöhnliche Wortmagierin und dazu auch noch Speakerin. Warum sollte sie ein Ritual zur Sprachlosigkeit durchführen wollen? Nun, eigentlich verstand ich das erst beim Ritual. Sabine wusste es aber schon vorher. Sie wollte diese Reise nicht nur für sich antreten, sondern auch für nahestehende Frauen und das ganze Kollektiv. Ihr Anliegen war es, ihre Stimme zu erheben, ein tiefes Ritual zu zelebrieren um die Unsichtbarkeit zu verabschieden und die Sichtbarkeit willkommen zu heißen.
Dieser Ruf war sehr stark und doch war er für mich eher unkonkret, was die Umsetzung betraf. Immer wieder spürte jede für sich und wir gemeinsam in das Feld, das vor uns lag. Ganz greifen konnten wir es jedoch noch nicht. Bei mir ist das nichts Ungewöhnliches. Manchmal habe ich schon bei der Anfrage für ein Ritual ein ganz konkretes Bild. Manchmal zeigt es sich einige Tage vorher. Manchmal weiß ich erst vor Ort was zu tun ist. So wie dieses Mal…
Am Tag vor dem Ritual tauchte ich konkret ein zum Thema Sprachlosigkeit. Es fanden mich einige Lieder und ich schrieb einen Text. Der genaue Ablauf wollte jedoch nicht geplant werden. Am Morgen des Rituals packte ich also planlos und intuitiv einige Dinge ein…
Das Ritual
Am Treffpunkt – dem Aileswasensee nahe Tübingen – angekommen, suchten wir uns den Platz, an dem das Ritual stattfinden sollte. Schon das war, wie das so oft bei Ritualen ist, der direkte Einstieg ins Thema. Da der beliebte Badesee bei tollem Wetter recht besucht war, durften wir in der direkten Umgebung suchen. Um einen geschützten Ort zu finden, gingen wir zwischen der Unsichtbarkeit und der Sichtbarkeit. Letzten Endes fanden wir einen Ort, der uns beides schenkte.
Patrizia kam zu uns und wir bereiteten zu dritt den Raum. Sabine hatte einige magische Schätze im Gepäck und breitete sie auf unserem Platz aus…
Wir gestalteten die Mitte mit einem Seidentuch, das in den letzten Wochen entstehen wollte. Ich eröffnete mit meinen Elementettüchern in den Himmelsrichtungen den Kreis, räucherte und lud die Elemente und verschiedene Wesen in den Kreis ein.
Wir sprachen lange zu dritt über die Sprachlosigkeit. Erfühlten das konkrete Anliegen des Rituals und erarbeiteten den groben Ablauf. Im Normalfall bin ich kein Fan von vielen Worten bei Ritualen. Die Gefahr ist einfach zu groß das Thema zu zerreden und im Kopf zu bleiben. In diesem Fall war unser langes Gespräch jedoch sinnvoll und zielführend, um uns mittels der Sprache die Sprachlosigkeit zu erschließen.
Sabine wollte dieses Ritual ja auch für die vielen anderen sprachlosen Frauen zelebrieren und hatte deshalb über Facebook Inspirationen und Haltungen von selbstständigen Frauen eingeholt. Ihnen gaben wir nun Raum und differenzierten noch einmal, was Sprachlosigkeit in unserem Ritual bedeuten sollte. Denn Sprachlosigkeit kann ja auch ein wundervoller Zustand der Stille sein. An dieser Stelle war es ganz wichtig, dass wir sehr bewusst und verantwortungsvoll spürten und wussten, was wir tun. Rituale wirken. Es ist erforderlich, dieses machtvolle Instrument zum höchsten Wohle von uns und dem großen Ganzen einzusetzen. Sabine formulierte also ihr klares Anliegen um die Energie zu bündeln und auszurichten.
„Beim Ritual zur SPRACHLOSIGKEIT haben wir entsprechend viel geredet und uns zu Beginn das Versprechen gegeben, alles auszusprechen und auch dann weiter zu reden, wenn „eigentlich“ Sprachlosigkeit herrschen würde.
Vor dem Ritual hatte ich in Social Media andere Frauen zur Sprachlosigkeit befragt und geforscht, Antworten aus meinem Feld eingeholt und Themen rund um die Sprachlosigkeit gesammelt. Ein bezeichnender Aspekt, der dabei zutage kam, wann Sprachlosigkeit auftritt, war: Wenn großes Entsetzen da ist (zum Beispiel im Angesicht von Gewalt, Ungerechtigkeit oder Verletzungen) oder wenn große gute Emotionen vorherrschen (zum Beispiel tiefes Glück, Freude, Liebe), sind wir sprachlos. In diesen Momenten sprechen wir nicht. Bisher.
Weil ich weiß, dass, wenn wir die eine Seite einer Medaille energetisch ändern, drehen wir auch auf der anderen Seite etwas, haben Nina und ich uns beim Ritual versprochen, in Glücksmomenten zu reden. Denn wenn wir das schaffen und verinnerlichen, dass wir dann den Moment des Glücks nicht zerstören, sondern die Energie darin sogar erhöhen, weil wir die Macht der Worte mit hineingeben, können wir auch auf der anderen Seite etwas bewegen: Wir lernen, zu sprechen, wenn wir entsetzt sind. Wir sprechen statt dass es uns die Kehle zuschnürt, wenn wir Gewalt sehen oder erleben. Wir lösen den Knoten der Sprachlosigkeit in nicht aussprechbaren Augenblicken höchster Verletzung. Wir reden weiter, auch im Angesicht von Situationen, in denen wir scheinbar bisher keine Worte hatten und es uns die Sprache verschlagen hat.
Das ist meine Vision und mein Wunsch.“
-Sabine Krink-
Einstimmung
Zur Einstimmung spielte ich das Lied „Speechless“ von Naomi Scott. Dieser Klang führte uns in das Feld der Sprachlosigkeit und berührte uns im Herzen. Manche Textzeilen schwangen sich ganz besonders klar ein und blieben eine Weile. Weil ich weiß, wie tief verbunden Sabine mit der englischen Sprache ist, durfte es im Original erklingen. Die Essenz des Liedes möchte ich hier in Auszügen und freier Übersetzung wiedergeben.
Hier kommt die Welle,
die mich hinwegspülen soll,
eine Flut, die mich überrollt.
Ich schlucke Sand.
Stumm zurückgelassen-
meine Stimme untergegangen im Donner.
Auch wenn sie es versuchen (…)
Ich werde nicht schweigen!
Ihr könnt mich nicht zum Schweigen bringen.
Alles was ich weiß ist:
Ich werde nicht sprachlos gehen!
Ich werde atmen-
unterschätzt mich nicht!
Ich werde nicht sprachlos gehen!
Ewig alt und ungebrochen-
jedes Wort
in Stein geschrieben.
Bleib auf deinem Platz!
Nun endet diese Geschichte.
Lass den Sturm herein!
Ich kann nicht gebrochen werden-
ich werde nicht ungesprochen leben.
Ich werde nicht sprachlos gehen!
Dann las ich meinen Text vor, der am Abend vorher zu mir kam und der uns tiefer ins das Feld der Sprachlosigkeit führte:
Sprachlos. Wortlos. Stehe ich hier.
Meine Stimme versiegt. Mein Hals ist eingeschnürt. Der Kloß erstickt mich fast. So oft bin ich gestorben für meine Wahrheit. Für meine Freiheit. Für die Liebe. So oft wurde meine Kehle durchtrennt, erwürgt, beschnitten. Meine Zunge entrissen, meine Sprache genommen. So oft war es gefährlich zu sprechen und wahrhaftige Worte fließen zu lassen. Mal habe ich geschwiegen. Mal habe ich gesprochen. Mal habe ich Menschen zum Schweigen gebracht. Mal habe ich sie ermutigt zu sprechen.
Alle Wege haben ihren Preis gehabt. Ich habe ihn bezahlt. Wir alle haben unsere Preise bezahlt. Und doch… Wir haben über all die Zeit Wege gefunden unsere Essenz weiterzutragen. Es ist Zeit unsere Stimmen zu erheben!
Laut!
Kraftvoll!
Klar!
Sprache ist so viel mehr als Worte. Sie ist unser ureigener Ausdruck. Trägt unsere Essenz in die Welt. Das, was in unseren Herzen zuhause ist. Das, was durch unsere Augen in die Welt schaut. Das, was unsere Seele ruft. Was unsere Körper rufen. Worte transportieren unsere innere Welt in die äußere Welt und verbinden uns. Und oft ist das am Wichtigsten, was im leeren Raum zwischen den Worten schwingt.
Geschrieben
und
gesprochen.
Es gibt so viele Sprachen auf der Erde. Wir können Sprachen lernen, wenn wir wollen. Übersetzen. Ob unser Gegenüber uns versteht oder nicht, liegt allerdings nicht in unsere Hand. Es ist unsere heilige Pflicht uns auszudrücken. Und mitzuteilen.
Worte können berühren, sie können verbinden, sie können befreien, Punkte in uns treffen. Worte können Waffen sein. Worte können schneiden wie Messer. Sich in dein Herz bohren. Und sie können dadurch Altes abtrennen und damit erlösen. Die Krusten um dein Herz aufbrechen. Es befreien. Harte scharfe Worte mögen verletzen und doch sind gerade sie, die wehtun, aus der Liebe gesprochen, manchmal die größten Geschenke.
Wenn du dastehst und dein Herz in deinem Hals klopft. Wenn du dich traust, deinen Mund zu öffnen, verbunden mit deiner Wahrhaftigkeit, dann sind die Worte segensreich. Danke für die Worte, die so schwer auszusprechen sind. Danke für deinen Mut und dass du trotz der Angst immer weiter sprichst. Andere ermutigt sich zu zeigen. Zu offenbaren.
Sprachvoll.
Wortreich.
Und dann wenn alle Worte gesprochen sind, kehren wir zurück in die Wortlosigkeit. In die Stille hinter den Worten. Sind sprachlos und voller Staunen, was unser Ausdruck bewirkt.
Vibrierend verbunden im Leben.
Loslösung
Bevor wir in das Kollektiv der Sprachlosigkeit eintauchen konnten, um dort zu wirken, ging es darum den ganz persönlichen Erlebnissen und Verstrickungen zu begegnen. Aus meiner Erfahrung heraus habe ich gelernt, dass es wichtig und notwendig ist zuerst bei sich selbst zu schauen und den Boden zu bereiten um dann im Feld zu wirken.
Nun war das ja Sabines Ritual und es war uns dann recht schnell klar, wo der persönliche Anknüpfungspunkt war. Wir legten ihr als symbolische Fesseln Schnüre um den Hals. Wenn du die Hintergründe wissen möchtest, schau dir gerne Sabine Speech bei „Gedanken tanken“ dazu an…
Dieser Teil des Rituals war sehr intensiv, emotional und persönlich. An dieser Stelle möchte ich mich für das große Vertrauen bedanken, dass Sabine mir entgegengebracht hat. Wenn ich so an den Moment zurückdenke wird mir noch einmal ganz klar welchen Mut Sabine hatte, sich noch einmal in diese lebensbedrohliche Situation zu begeben um sie ein für alle mal zu wandeln.
Mutig und sicher löste Sabine bewusst einige der Schnüre um ihren Hals selbst. Einige konnte sie jedoch nicht mit bloßen Händen und aus eigener Kraft durchtrennen. Intuitiv hatte sie eine Schere eingepackt, ohne zu wissen wozu. Sie bat mich ihr zu helfen und ich tat beherzt den Schnitt. Ein für alle mal lösten wir die Schlingen um den Hals. Befreiten den Ausdruck. Nahmen uns die Freiheit unserer Kehlen zurück.
Vertiefung
Die letzten Reste lösten wir mit einer kraftvollen Räucherung mit weißem Salbei. Ich räucherte so intensiv und kraftvoll mit meinem Rabenflügel, dass die Bergkristallkugel sich löste. Das merkte ich jedoch erst, als wir am Ende unsere Sachen einpackten. Sie löste sich stellvertretend für so Vieles und liegt wohl noch immer irgendwo auf dieser Wiese unter dem Baum. Wirkt im Verborgenen weiter von diesem Platz aus.
Ich sang für Sabine das Lied „Zeige dich“ von Sabrina Weckerlin. Warum ich das Lied sang wird mir erst heute klar, wo ich diesen Text schreibe. Sabine hat einen wundervollen Raum geschaffen, in dem ich ein Jahr mit tollen Frauen wachsen und lernen durfte. Das „Zeig-Dich-Jahr“. Dort vermittelt sie mit ihrem Team tiefes wichtiges Wissen um weibliches Business professionell und authentisch in die Welt zu tragen. Wenn dich Sabines Arbeit und ganz konkret dieses Jahr voller Wunder interessieren, findest du hier den Link…
Sabine ermutigt mit ihrem Tun und Sein jede Frau aufzustehen und ihre Stimme zu erheben. Sich zu zeigen. Offen und authentisch. Dafür steht dieses Lied. Und ich sang es von Seele zu Seele. Und auch wenn nicht jeder Ton saß und der Text irgendwann Interpretationssache war, mein Gesang erreichte ihr Herz und überbrachte seine Botschaft.
Sabine sagt zu diesem Moment, der tiefen Seelenberührung folgendes:
„Und dann gab es tatsächlich die Situation, dass ich vollkommen berührt und sprachlos vor Nina saß, weil sie für mich und für alle Frauen gesungen hat. In tiefster Berührung, sodass mir die Tränen liefen, habe ich mein Versprechen gehalten und gesprochen. Es war holprig, es war komisch, es war unsicher.
Und ich hatte sehr stark das Gefühl, hier gerade einen Bann zu brechen. Nicht nur für mich, sondern für viele! Ich habe geredet. Wir dürfen lernen, weiter zu sprechen und überhaupt zu sprechen, auch wenn wir glauben, gerade keine Worte zu haben.
Auch wenn es sich zunächst nach Gestammel anhört. Auch wenn wir nach Worten ringen. Auch wenn es unrund klingt und sich komisch anfühlt. Im Gespräch miteinander und wenn wir Worte aussprechen, ändern wir die Welt! Ich bitte dich deshalb: Sprich! Sprich aus, was in dir ist. Gib das Unaussprechliche ins Feld und lass Worte wirken. Trau dich. Vertraue der Macht der Worte. Zeig dich!!“
-Sabine Krink-
Gemeinsam tauchten wir tiefer in das Feld der Sprachlosigkeit. Wandelten es, indem wir sprachen. Und manifestierten, in dem wir Worte auf Zettel schrieben. Hier stellte sich heraus wie wichtig unser langes Gespräch zu Beginn war. So konnten wir in der Energie bleiben und nur die Essenz des zuvor Besprochenen reaktivieren.
Auf unseren Karten stand unter anderem:
In diesem Teil des Rituals zeigten sich uns noch einmal ganz deutlich die verschiedenen Sprachebenen. Die Notwendigkeit der Übersetzung von Informationen in verschiedene Sprachen, damit die Botschaft auch möglichst viele Empfänger erreichen kann.
Auf der höchsten Ebene positionierten wir drei Zettel, denn alles war getragen, geleitet und geführt vom MUT und der GNADE. Der letzte Zettel blieb leer um all dem Raum zu geben, was sich da noch zeigen möchte. Stellvertretend für all das, was sich in diesem Moment eben noch nicht in Worte fassen ließ…
„Die Gnade, um sowohl mit uns selbst gnädig zu sein, wenn wir es vielleicht nicht immer sofort schaffen, zu sprechen, wo es nötig wäre. Und die Gnade auch für die Wörter, die wir und unser Gegenüber im Gespräch finden. Vielleicht sind es anfangs “nicht die richtigen“. Dann lade ich dich ein, dran zu bleiben, in Kontakt zu bleiben und weiterzusprechen oder weiter zu lauschen, bis die richtigen Wörter kommen.
Sei gnädig mit dir. Wir Frauen haben so lange geschwiegen. Jetzt dürfen wir lernen, zu sprechen! Und dabei machen wir Fehler. Vergib dir und anderen, wenn das mit dem Sprechen und auch mit dem Schreiben (zum Beispiel auf deiner Website) nicht sofort bestens klappt. Bleib dran und wende die Alchemie der Wortmagie an! Du kannst so viel mit Worten bewirken. Ich bitte dich heute: Sprich! Experimentiere mit Wörtern und nimm die Gnade mit ins Boot, damit ausgesprochen wird, was du zu sagen hast. Brich den Bann der Sprachlosigkeit und erhebe die Stimme. Trau dich. Vertraue der Macht der Worte. Zeig dich!“
-Sabine Krink-
Knüpfen des Neuen
Aus den „Fesseln“, den zuvor gelösten Schnüren, formten wir mit den sortierten und empfangenen Worten eine Kordel. Woben das gute Neue in das gute Alte und verbanden es symbolisch. Wenn wir in Ritualen mit unseren Händen wirken ist das Magie pur. Alchemie. Mystik. Diese Kordel ist mehr als eine Schnur. Sie ist manifestierte Essenz. In sie ließen wir alle Erkenntnisse und Wandlungen fließen, verbunden mit all unserer Liebe.
In dieses Zauberband legten wir den einen ganz besonderen, leeren Zettel. Möge er sich füllen. Von innen heraus, aus sich selbst, in sich hinein. Um seine Kraft zu entfalten. Ganz in seiner Zeit, Form und Farbe. Und dann waren alle Worte gesprochen. Stille legte sich um uns und den Platz. Wir gaben ihr Raum, bevor wir unser Ritual ausgelassen und kraftvoll betrommelten.
Ich übersetze hier wieder die wichtigsten Zeilen:
Du hast die Worte zu verändern,
aber du beißt auf deine Zunge.
Bleibst dein Leben still,
weil du Angst hast etwas Falsches zu sagen.
Wenn dich niemand jemals hört,
wie sollen wir dein Lied lernen?
Du hast ein Herz so laut wie ein Löwin-
also warum lässt du deine Stimme zähmen?
Vielleicht sind wir ein wenig unterschiedlich,
das ist doch kein Grund sich zu schämen!
Du hast das Licht die Schatten zu erhellen,
also hör auf es zu verstecken!
Wenn die Wahrheit verboten wurde,
dann brechen wir die Regeln.
Es gibt keinen Grund ängstlich zu sein,
ich werde mit dir singen!
Ich werde singen!
Ich werde rufen!
Ich werde schreien,
bis alle Worte draußen sind.
Ich habe keine Angst.
Sie können Alles darüber lesen.
Wir sind alle so wundervolle Menschen,
wann sind wir eigentlich alle so ängstlich geworden?
Jetzt finden wir endlich unsere Stimmen.
Als getan war, was getan werden wollte und gesagt wurde, was gesagt werden wollte lösten wir den Kreis auf, sammelten unsere Sachen zusammen und gingen an den See um das Ritual nachklingen zu lassen und ein paar Fotos am Wasser zu machen und Sabines schamanischer Flöte zu lauschen. Der Sprache der Musik ihren Platz zu geben. Wechselten wieder die Welten.
Für uns drei war das Tun in diesem Rahmen neu. Wir kannten Fotos und Ritualarbeit. Beides zusammen war in dieser Form eine ganz besondere Erfahrung. Der Tanz auf dem schmalen Grad zwischen außen und innen, sich zeigen und im Verborgenen wirken verlangte uns einiges ab. Patrizia begleitete uns sehr achtsam und wertschätzend bei unserem Tun und zeitweise vergaßen wir, dass wir fotografiert wurden. Ob wir tief genug eingetaucht waren? Das war eine Frage, die mich tatsächlich noch einige Tage begleitete.
Die Tiefe und Versunkenheit, die ich sonst bei Ritualen kenne hatten wir zwar berührt, aber ob sie auch genug Raum gefunden hatte, würde sich noch herausstellen. Im Vertrauen darauf, dass alles genau richtig geschieht, wie es geschieht, lies ich los und lies das Ritual einfach stehen und wirken.
Nach dem Ritual
Einige Wochen später telefonierte ich mit Sabine um mir ihr Feedback zu unserem Tun einzuholen und sowohl meine Arbeit zu reflektieren, als auch Hinweise zu erhalten, wie Fotos und Rituale zusammen gehen können. Im Gespräch stellte sich heraus, welche Wellen unsere Arbeit geschlagen hatte. Sabine erzählte mir, wie schnell und radikal die Wirkung unseres Rituals war. Bei ihr, in ihrem direkten persönlichen Umfeld und wohl auch in dem Teil des Kollektivs, den wir berühren durften.
Am Tag nach dem Ritual fand ein Treffen im Rahmen ihres „Zeig-Dich-Jahres“ statt und sie erzählte mir, wie klar und stark sie mit den Frauen sprach. Die Grundausrichtung war: „Wir verplempern keine Zeit mehr!“ Sie forderte die Frauen, in ihre volle Kraft zu gehen, mit totaler Power und absoluter Unaufhaltsamkeit und Radikalität. Sie forderte sie auf, sich sichtbar zu machen. Voll und ganz. Jetzt. In wahrer Größe. Und ja, das war und ist schon lange ihre Botschaft. Doch nun war sie noch klarer. Noch stärker.
-Sabine Krink-
Und wie immer, wenn etwas Neues integriert werden möchte, ist das für uns selbst und unser Gegenüber höchst spannend, segensreich und anstrengend. Sabine sagte auch zu mir: „Manchmal kamen dann erst die falschen Worte, bevor die richtigen kamen.“ Das gilt es auszuhalten und trotzdem, oder gerade deshalb, weiterzusprechen. Nur dann kommen wir an die Worte hinter den Worten.
„Obwohl ich die Kraft von Ritualen kenne und weiß, dass sie in meinem direkten Leben und auch in meinem erweiterten Umfeld vieles in Gang setzen, war ich überrascht, wie unmittelbar und heftig sich dieses Ritual zur Sprachlosigkeit sofort auswirkte. Der Knoten platzte und er platzt noch immer. Ganz viel Unausgesprochenes kam plötzlich gerade in meinen Frauenverbindungen auf den Tisch! Und es wurde gestritten, geschrien, mit irreführenden Worten um sich geschmissen, auch von mir – weil wir es zu diesem Zeitpunkt nicht besser konnten.
Aber/Und: Wir haben gesprochen! Wir haben Worte gefunden, anfangs komische, unfertige, die falschen. Es dauerte, bis wir durch den Wust an Worten hindurch dort ankamen, worum es wirklich ging. Und wir sind geblieben. In der Verbindung geblieben. Mehrfach habe ich mich in diesen Tagen inmitten der vielen, teils heftigen Gespräche, an mein Versprechen erinnert: „Weitersprechen, auch wenn ich glaube, hier wäre Sprachlosigkeit.“ Und dieser Moment, den Schritt weiterzugehen und weiterzureden und nicht aus der Verbindung zu gehen, sondern drinnen zu bleiben – der hat letztendlich Verständigung und Verständnis gebracht.“
-Sabine Krink-
Wenn wir die Geschichten drumherum weglassen, die Wahrheit nicht mehr verpacken und dem anderen zumuten damit umzugehen, dann eröffnen sich neue Möglichkeiten. Vielleicht kann mich mein Gegenüber auch erst wirklich hören und verstehen, wenn ich klar und deutlich spreche. Und gerade wir Frauen können da noch etwas lernen. So sehr lieben wir unsere Geschichten und sprechen dabei oft hinter dem Rücken anderer ohne es zu wollen oder zu merken. Wir muten uns nicht ganz zu und das oft so subtil, dass wir es nicht einmal ahnen. Es ist an uns der anderen diesen Spiegel vorzuhalten und schonungslos in ihn zu blicken. Unsere Stimme dadurch wahrhaftig zu befreien.
Es scheint so, als ob unser Ritual auf der einen Seite einen Knoten gelöst hat und auf der anderen Seite etwas weggenommen hätte. Eine Art Schleier. Und sei er noch so fein. Es war an der Zeit für Sabine die nächste Sprachebene zu betreten. Sie sagte mir: „Etwas ist aufgegangen!“ Und das nicht nur bei ihr. Auch bei mir und in unserem nahen Umfeld.
Für mich ganz persönlich fühlt es sich an, als ob meine Wahrnehmung zu meiner eigenen Sprache noch feiner geworden ist. Ich bin noch achtsamer und spüre schneller, wenn es nicht die richtigen Worte oder der richtige Ton sind, die aus meinem Mund kommen. Und. Ich bin mutiger. Jetzt, wo ich diesen Artikel schreibe, merke ich, dass ganz viel Angst in Verbindung mit meinem Ausdruck abgefallen ist von mir durch dieses Ritual. Ich spreche und schreibe klarer und radikaler. Mute mich noch mehr zu. Entdecke neue Nuancen zwischen verbindender und trennender Sprache. Der Satz, den wir dazu gefunden haben ist:
Ich gebe MEINS in die Welt! Wie ich einen Stein ins Wasser gebe.
Patrizia hat das sehr treffend beobachtet und deshalb wollte dieses Ritual unbedingt am Wasser stattfinden. Der Stein, den wir ins Wasser werfen zieht Kreise. Möge dieses Ritual seine Wirkung entfalten. Seine Kreise ziehen. Ausstrahlen. Lasst uns unsere Stimmen erheben.
Klar.
Lautstark.
Es ist Zeit.
In Liebe
Nina
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Liebe Nina,
was für ein kraftvoller und kraftspendender Blogartikel! Danke für Deine ausführliche Beschreibung und Deine persönlichen Empfindungen. sie sind sehr berührend. Ich sünsche mir, dass auch ich von meiner Sprachlosigkeit befreit werde, wenigstens ein bisschen, lieber ganz! Ich sehe in meiner Arbeit, dass dieses Thema in den meisten Frauen steckt und es darf sich jetzt auflösen. DANKE ❤️ und auch an Sabine Krink.
Herzensgrüße aus Köln
Sabine
Danke dir von Herzen für deine Rückmeldung! Möge sich deine Sprachlosigkeit auflösen. Stück für Stück. Wort für Wort und Atemzug um Atemzug. Vollständig. Ja, dieses Thema wirkt in uns allen, also lasst uns sprechen…
Einen herzlichen Gruß aus Stuttgart
Nina
Liebe Nina, wow, ich habe selten etwas so Intensives gelesen. Und fühle mich so ertappt in der Sprachlosigkeit. Ich bin schon besser geworden, aber halte immer noch so vieles zurück :-(
Danke für Euer Vertrauen, Eure Erfahrungen dieses Ritual mit uns zu teilen.
Herzliche Grüße
Alexandra
Liebe Alexandra, schön, dass dich unser Ritual berührt hat. Schicht um Schicht kann sich so lösen. Ich freue mich immer mehr deine Stimme zu hören und dem zu lauschen, was du zu sagen hast. Du wundervolle Frau.
Herzlichst
Nina
Liebe Nina,
vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel und die ausführliche Beschreibung. Das erhöht meine Vorfreude auf das Zeig Dich Jahr 2022-23 noch mehr.
Herzliche Grüße
Martina
Oh Martina, wie schön. Ich freue mich darauf dich näher kennen zu lernen und auf alles, was entsteht im neuen Zeig-dich-Jahr.
Von Herzen
Nina
Liebe Nina, vielen Dank für deinen kraftvollen Blogartikel. Er ermutigt und stärkt, meine Stimme zu erheben und zu sagen, was ich zu sagen habe – DANKE!
Danke dir von Herzen für deine Worte, dein Sprechen und dein Sein🙏❤️