Ein persönliches Dankesritual
Ich möchte dir hier gerne von einem Ritual erzählen, das 2017 an einem Strand in Griechenland entstanden ist. Es war kein feierlicher Anlass, der uns dorthin führte, sondern ein Moment, der alles veränderte – und uns daran erinnerte, wie nah Leben und Tod beieinanderliegen. Dieses Ritual wurde zu einem stillen Ausdruck für Dankbarkeit, Schmerz und Heilung. Und vielleicht berührt es auch dich, wenn du ähnliche Erfahrungen gemacht hast oder die Magie der Rituale kennst.
„Dankbarkeit ist eine Haltung. Ihr in einem Ritual Ausdruck zu verleihen bestärkt ihre Kraft.“
Der Anlass – „Das war knapp“
Wir waren mit unseren damals noch drei Kindern im Sommerurlaub. An einem scheinbar ganz normalen Nachmittag stillte ich unsere Jüngste seelenruhig im Strandzelt, als mich eine Frau mit den Worten: „Das war knapp!“, aus meiner Idylle riss. Sie legte mir unsere 5-jährige Tochter Melina in die Arme und erzählte, sie habe sie eben aus dem tiefen Wasser gezogen, weil sie nicht mehr aufgetaucht sei.
Ich war überzeugt, mein Mann würde nach ihr sehen. Er dachte dasselbe von mir. Ein Missverständnis, das beinahe alles verändert hätte. Nur dem mutigen Einsatz unserer Strandnachbarn war es zu verdanken, dass unsere Tochter noch lebte.
Wenn das Leben innehält
Zunächst drang die Nachricht kaum zu mir durch. Melina wirkte unverändert – lebendig, ruhig, ganz wie immer. Doch nach und nach kamen sie: die Wellen. Emotionale Wellen, die sich über Tage hinweg zeigten. Glück, Schmerz, Angst, Schuld, Wut. Alles hatte seinen Platz. Ich war wütend auf meinen Mann. Und auf mich selbst. Die Schuld lag schwer zwischen uns – auch wenn wir sie im Gespräch zu tragen versuchten.
Was bleibt: Dankbarkeit
Wieder und wieder sprachen wir über das Erlebte. Auch Jahre später ist es nicht vergessen. Mit jedem Wiederkommen an diesen Strand verarbeitete ich ein Stück mehr. Tränen, Stille, ein tieferes Verstehen zeigen den Weg dorthin. Die schmale Grenze zwischen Leben und Tod verbindet uns noch tiefer mit unserer Tochter und diesem zauberhaften Ort. Wenn das Leben bleibt, wo der Tod so nah war, bleibt ein einziges Wort: DANKE.
Kurz nach dem Vorfall schrieb ich einem tiefen Impuls folgend das Wort in großen Buchstaben in den Sand. Melina verstand sofort, was ich da tat, und half mir beim Ausschmücken mit Steinen. Stein um Stein entstand ein stilles Ritual – ein Ausdruck für das, was wir nicht in Worte fassen konnten.
Tiefe Begegnung mit dem Meer
Nach unserem Ritual nahm ich sie mit ins Meer. Die Wellen wiegten sie in den Schlaf, während ich mit meinem Kind auf dem Herzen mit dem Meer sprach. Ich weinte, fragte, lauschte. Am Strand, neben dem Ritualplatz, legte ich mein schlafendes Kind nieder. Sie lag da, selig, als hielte sie das Leben selbst in den Händen. Es sah aus wie eine kleine Beerdigung. Und doch war es reines Leben.
Eine befreundete Astrologin sagte später, sie spüre, dass mit diesem Ritual eine uralte Geschichte geheilt worden sei. Ein altes Leben. Eine Königin. Ein würdiger Abschied.
Tiere als Helfer
In jenem Jahr nahm ich die Tiere am Strand intensiver wahr als je zuvor. Wenige Tage nach dem Ritual schlüpften in der Nähe unseres Platzes Meeresschildkröten – direkt aus einem unentdeckten Nest. Es war Vollmond, und viele der Kleinen liefen in die falsche Richtung, angelockt vom Licht der nahen Bar. Melina, die Tiere liebte, half vielen dieser winzigen Wesen den Weg ins Meer zu finden. Verborgen in ihren Eiern waren sie auf besondere Weise Zeuginnen unseres Rituals gewesen.
Wohin mit der Dankbarkeit?
Vielleicht hast du selbst schon einmal eine ähnliche Situation erlebt. Vielleicht wurdest du gerettet oder hast jemanden gerettet. Die Menschen, die damals unsere Tochter aus dem Wasser zogen, konnten unsere Dankbarkeit kaum annehmen. Für sie war es selbstverständlich. Doch in uns war sie übergroß – fast zu viel.
Wie dankt man für ein Leben? Wie gibt man das zurück?
Wir konnten es nicht. Aber das Ritual konnte es. Es wurde zum Kanal für all das, was in uns keinen Platz fand. Ein DANKE, das hinausgetragen wurde – ins Universum, in die Erde, ins große Ganze, in dem wir alle miteinander verbunden sind.
Einladung zum Erinnern
Manchmal braucht es die Berührung mit dem Tod, um uns zu erinnern, dass nichts auf dieser Erde selbstverständlich ist. In unserem Fall war diese Berührung sanft – und doch wirkt sie bis heute nach. Ich denke oft an all die Menschen, deren Geschichten anders ausgegangen sind. An Mütter und Väter, die ihre Kinder zu Grabe tragen mussten. Es gibt wohl kaum etwas Schmerzvolleres in diesem Leben.
Vielleicht hat dich unsere Geschichte berührt. Vielleicht kennst du solche Grenzmomente zwischen Leben und Tod. Vielleicht trägst du Dankbarkeit in dir, die nie ganz ausgesprochen wurde.
Dann lade ich dich ein: Schaffe einen Ort dafür – in dir, im Außen, im Ritual. Ein Ort für das, was bleiben will. Für das, was heil werden darf. Wenn du magst, findest du hier Inspirationen für dein eigenes Dankesritual.
Wenn du selbst eine Erfahrung gemacht hast, die nach Ausdruck oder Wandlung ruft, und dir Begleitung für dein ganz persönliches Ritual wünschst, findest du hier einen Einblick in meine Angebote zur Ritualbegleitung.
Du bist nicht allein. Und Rituale dürfen dich tragen.
Mit der Kraft der Dankbarkeit.
In Liebe,
Nina




[…] In meinem Verständnis nutze ich den Begriff Dankesgabe weiter gefasst: Als eine Geste der Rückverbindung, wenn wir etwas empfangen haben – einen besonderen Moment, einen inneren Wandel, Trost, Schönheit oder Heilung. Dann kann es heilsam sein, etwas zurückzugeben: ein Blatt, ein Wort, ein Lied, eine kleine Gabe aus Händen und Herz. Wenn du ein Beispiel für den Einsatz deiner Dankesgabe lesen möchtest, findest du hier meinen Erfahrungsbericht: Ein persönliches Dankbarkeitsritual. […]