Ein persönliches Dankesritual

persönliches Dankesritual

Ich möchte dir hier gerne von einem Ritual erzählen, das vor 5 Jahren am Strand in Griechenland entstanden ist. Unsere Tochter Melina wäre fast ertrunken. Um dieses Ereignis zu verarbeiten wollte ein kleines großes Ritual zelebriert werden. Schlicht und einfach und doch unglaublich kraftvoll und tief.

Ich schreibe diesen Artikel für mich, um noch einmal tiefer zu verarbeiten, was geschehen ist, denn mit jedem Erinnern heilt ein Stück in mir und uns. Und ich schreibe ihn für dich, wenn du Kinder hast, selbst in einer ähnlichen Situation warst, oder einfach Lust und Zeit hast eine Geschichte aus meinem Leben zu lesen. Und wenn du die besondere Magie von Ritualen liebst.

„Dankbarkeit ist eine Haltung. Ihr in einem Ritual Ausdruck zu verleihen bestärkt ihre Kraft.“

Der Anlass – „Das war knapp“

2017 waren wir an einem wunderschönen Strand in Peloponnes. Damals hatten wir drei Kinder. An einem ganz normalen Urlaubsnachmittag stillte ich unsere Jüngste seelenruhig im Strandzelt, als mich eine Frau mit den Worten: „Das war knapp!“, aus meiner Idylle riss. Sie legte mir unsere Tochter in die Arme und sagte sie habe sie eben aus dem tiefen Wasser gezogen, weil sie nicht mehr nach oben kam. Ich dachte mein Mann würde nach Melina schauen, die damals 5 Jahre alt war. Er dachte ich bin für sie zuständig und so nahm das Schicksal seinen Lauf. Dank des mutigen Einsatzes unserer Strandnachbarn lebt unsere Tochter noch.

Ich brauchte erst eine Weile, bis die Nachricht überhaupt in mein Bewusstsein drang. Melina war nichts anzumerken und hätte die Frau mir nicht erzählt was passiert war, alles wäre wie immer gewesen. Nach und nach erfassten mich dann verschiedene Gefühlswellen. Sie hielten tagelang an und kamen in verschiedener Intensität und Ausdrucksform.

In mir gab es

  • Glück, dass sie lebt. Vor allem der Klang ihrer Stimme machte mich so glücklich.

  • Schmerz.

  • Angst.

  • Trauer. Mein Herz zog sich immer wieder zusammen. Der drohende Verlust brachte mich fast um den Verstand.

  • Wut auf meinen Mann, der nicht aufgepasst hatte.

  • Wut auf mich, die nicht aufgepasst hatte.

  • Schuld. Die Schuld war sehr präsent in mir und uns und in vielen Gesprächen versuchte wir mal mehr mal weniger konstruktiv das Geschehene zu verarbeiten.

Übrig bleibt die Dankbarkeit

Wieder und wieder sprachen wir über den Vorfall und auch heute, 5 Jahre später, ist er nicht vergessen. Wir sind dieses Jahr das dritte Mal seitdem hier an diesem Strand und jedes Mal verarbeite ich ein Stück tiefer. Heilung auf einer neuen Ebene. Tränen und Schmerz zeigen den Weg dahin. Irgendwie verbindet uns diese schmale Grenze zwischen Leben und Tod noch tiefer mit unserer Tochter und diesem zauberhaften Ort. Wenn Leben und Tod sich berühren und das Leben übrig bleibt, bleibt nur ein Wort. „DANKE“.

Ich weiß noch ganz genau, ein paar Minuten nach dem Vorfall sang Melina ein Lied. Ich hörte ihre Stimme und brach in Tränen aus. Ein Gedanke sagte: „Was wäre, wenn ich ihre süße Stimme nie wieder gehört hätte?“ Der Schmerz erfasste mein Herz.

Nachdem die ersten Emotionswellen abgeebt waren blieb in mir nur die Dankbarkeit dem Leben gegenüber übrig. Aus einem tiefen Impuls heraus begann ich das Wort DANKE in großen Buchstaben in den Sand zu schreiben und mit kleinen Steinen auszuschmücken. Melina erfasste die Wichtigkeit dessen was ich da tat sofort und half mir. Wir beide verarbeiteten glaube ich in diesem kleinen und einfachen Ritual unseren ersten Schock. Bei meinem Kind konnte ich keinen feststellen, aber meinen spürte sie ganz sicher. Wir legten andächtig Stein um Stein. Mein Mann und unsere große Tochter hielten den Raum auf ihre Weise und ließen uns dieses stille Ritual vollziehen.

Nach unserem Ritual ging ich mit ihr ins Meer und von all der Aufregung schlief sie sanft von den Wellen des Meeres gewiegt in meinem Arm ein. Ich sprach lang mit meinem schlafenden lebendigen Kind an meinem Herz mit dem Meer. Fragte mich, was ich jetzt tun sollte und ließ meinen Tränen freien Lauf.

Ich erkannte auf einer noch tieferen Ebene, dass Leben und Tod immer ganz nah beieinander sind und dass ich das viel zu oft vergesse. Ich vergebe mir immer mehr, dass ich nicht besser aufgepasst habe. Es gibt nicht umsonst den Spruch: „es braucht ein Dorf um ein Kind großzuziehen.“ Ich möchte ergänzen – Und Heerscharen an Engeln, die über es wachen- sichtbare und unsichtbare.

Ich legte mein schlafendes Kind an den Strand neben den kleinen Ritualplatz mit dem Wort DANKE im Sand. Bei ihrem Anblick durchzuckten mich Erinnerungen aus alten Leben. Diesen Schmerz hielt ich fast nicht aus, als ich sie so da liegen sah. Es sah aus wie eine Beerdigung wie sie da mit ihren kleinen gefalteten Händen selig schlief.

Ritual als Dank

Eine befreundete Astrologin sagte mir einige Zeit später, als ich ihr berichtete, sie habe das Gefühl eine uralte Geschichte sei mit diesem Ritual geheilt worden. Aus einer Inkarnation, in der Melina eine Königin war. Dies war endlich das gebührende Begräbnis.

Auch heute noch, 5 Jahre später, weine ich, wenn ich daran denke. Ich weine, wenn ich hier im kristallklaren Wasser bin, schaue mein Kind an und bin dankbar, dass sie hier ist. Das wir hier sind. Jedes Mal, wenn wir hier an diesem Platz sind berühren wir noch tiefere Heilungsschichten. Ich begreife noch tiefer und weiter, was geschehen ist und wie weit die Verbindungen und Zusammenhänge reichen. Bin in Kontakt mit der Essenz. Was bleibt uns anderes übrig, als dankbar zu sein über das, was ist. Was bleibt uns anderes übrig, als dankbar zu sein über das Leben, den Moment?

Manchmal brauchen wir wohl die Berührung mit dem Tod um uns daran zu erinnern, dass nichts selbstverständlich ist auf dieser Erde. Glücklicherweise war die Berührung in unserem Fall sehr sanft und zart. Und doch wirkt es so lange nach. Ich denke dann oft an all die Menschen, deren Geschichten anders ausgegangen sind. Ich kenne Mütter und Väter, die ihre Kinder zu Grabe tragen mussten. Es gibt denke ich nichts Schmerzvolleres in diesem Leben.

Mir helfen Rituale immer ein Stück zu verarbeiten. Geben meinem Inneren in der äußeren Welt Gestalt. In diesem Fall war es ein ganz einfaches Ritual. Klein und schlicht. Und doch hatte es eine enorme Kraft. Die Kraft der Dankbarkeit. Und die Kraft des Moments.

Dieses Ritual war nicht geplant und nicht durchdacht. Ist einfach aus dem Leben und dem Tod und sich selbst heraus entstanden. Diese Rituale entfalten eine besondere Kraft. Bei geplanten Zeremonien, beispielsweise einem Trauungsritual ist es natürlich weniger möglich aus dem Moment zu agieren. Ein Ritual im großen Kreis braucht gute Vorbereitung. Doch auch hier nehme ich mir die Freiheit intuitiv andere Worte zu wählen oder einem spontanen Impuls zu folgen. In der Ritualbegleitung 1:1 geschieht dies ohnehin. Die Wesen des Platzes und die Spirits der Beteiligten wollen in der Zeremonie direkt wirken und kündigen sich eher zart im Vorfeld an. Auch Krafttiere zeigen sich meistens erst im Moment des Rituals und im Zusammensein der jeweiligen Seelen.

Tiere als Helfer

Dieses Jahr nehme ich die Tiere hier am Strand noch intensiver wahr als sonst. So viele Wesen sind hier. Ein paar Tage nach dem Dankesritual vor 5 Jahren sind Meeresschildkröten hier am Strand geschlüpft. Unser Ritualplatz war direkt neben ihrem Nest. Die meisten Brutplätze sind markiert und abgesteckt, dieses war unentdeckt und ganz „zufällig“ waren wir an diesem Vollmondabend am Meer. Viele der kleinen Schildkröten krabbelten in die falsche Richtung, weil das Licht der nahen Strandbar stärker war als das Leuchten des Mondes. Melina liebt Tiere und half ganz vielen der kleinen Wesen ins Meer. Ich bin davon überzeugt, dass auch sie in ihren kleinen Eiern an unserem Ritual kurz vor ihrer Geburt mitgewirkt haben.

Auch dieses Jahr sind wieder Nester zu sehen und der Vollmond naht. Vielleicht dürfen wir ja noch einmal das Wunder der Geburt von kleinen Wasserschildkröten erleben. Und vielleicht möchte für dieses außergewöhnliche Geschenk dann wieder ein Dankesritual entstehen.

Danke als Ritual

Wohin mit der Dankbarkeit?

Vielleicht hast du ja Ähnliches erlebt? Dein Kind fast verloren oder einen anderen Menschen gerettet? Die Menschen, die unser Kind damals aus dem Wasser zogen konnten und wollten unsere Dankbarkeit nicht annehmen. Nicht in dem Maß, wie wir es uns gewünscht hätten. Für sie war es selbstverständlich. Heute kann ich sagen unsere überschwängliche Dankbarkeit und der Drang etwas zurückzugeben war „zu viel“.

Wir hätten selbstverständlich genau so reagiert und auch Nichts erwartet als danke. Aber wie sollen wir für ein Leben danken? Wie sollen wir den Menschen das zurückgeben? Heute kann ich sagen: „Das geht nicht!“ Es war zu viel Dankbarkeit, mit der wir diese Menschen überschütteten. Auch hier hat uns allen ganz sicher das Ritual geholfen. Im Bewusstsein, dass diese Menschen ihre Aufgabe als Engel im Menschengewand erfüllt haben. Wir alle brauchen einander. Und manchmal brauchen wir helfende Hände, wache Augen und mutige Herzen, die das Leben mit uns schützen. Alleine können wir es nicht. Es ist zu viel für den einzelnen Menschen.

Diesem zu viel haben wir im Ritual Ausdruck gegeben. Als Kanal der Dankbarkeit. Damit es dort ankommt, wo es hingehört. Hoch hinauf ins Universum und tief hinab in die Erde. In das eine Leben. Ins große Ganze, in das wir als kleine Menschen eingebunden sind. Hier heute und jetzt an unserem Platz. In der Berührung von Leben und Tod. Heute sage ich noch einmal danke. Danke Leben. Ich erinnere mich mit Tränen in den Augen. Schaue mein Kind an und fühle unsere lebendigen Herzen schlagen. Wir dürfen leben. Wir dürfen atmen. Jetzt. Danke Leben.

Ich erinnere mich an diese Momente vor 5 Jahren und schreibe mir ein Stück Schmerz von der Seele. Möge Heilung geschehen. In mir. In dir. Im Ganzen.

Ich möchte hier gerne einen Raum eröffnen für deine Geschichte. Vielleicht hast du Ähnliches erlebt und möchtest erzählen. In den Kommentaren ist Platz für deine Worte, deine Rituale, deine Tränen. Lasst uns gemeinsam ein Stück heiler werden. Wenn du möchtest gebe ich dir auch Tipps für ein Ritual. Auch wenn dein Erlebnis lange zurückliegt kann ein Ritual Wunder bewirken. Es ist nie zu spät.

Mit der Kraft der Dankbarkeit.

In Liebe
Nina Maria

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